Muster & Rollen

Das Muster Individualität und seine Rollen

„Ich bin jemand Besonderes und anders als die anderen.“
Einem Menschen mit dem Muster Individualität zu begegnen, kann ein Erlebnis sein: Denn Individualisten präsentieren sich in vielen Lebenslagen als Nonkonformisten. So ziehen sie oft den Blick auf sich – etwa wenn sie einen Raum betreten oder Dinge auf eine ganz bestimmte Weise tun. Sie haben ihr Selbstbild verinnerlicht: „Ich bin jemand Besonderes, und ich bin anders.“
Dahinter steckt aber auch das Weltbild, dass ihnen etwas fehlt, was andere wiederum besitzen.
Zwischen diesen beiden Polen oszillieren sie und wollen doch eigentlich nur sich finden und aus ihrem inneren Erleben eine Identität erzeugen, die Bedeutung hat.

Kurzporträt eines Muster-Beispiels

Gerd „Gabor“ Ilmenau, 49 Jahre, Leiter der Espressobar der NEMO-Zentrale

Gerd Ilmenau arbeitet nicht nur hinterm Bartresen der Espressobar „Nautilus“, er zelebriert die Kunst der Kaffeezubereitung samt künstlerischen Elementen wie Latte-Art.
Und genau so speziell und ausgefallen sein Auftritt und seine Arbeitsweise sind, genauso besonders ist sein „Künstlername“: denn Gerd nennt sich – nicht nur in der Espressobar – Gabor, weil das nicht so profan klingt und „auch besser zu ihm passt“.
Die Espressobar, in der Gabor Ilmenau als Barchef arbeitet, bezeichnet er selbst als das kreative Zentrum der NEMO AG. Sie ist der Kantine angegliedert und wird wegen ihres stylishen Ambiente den ganzen  Tag über gut frequentiert. Ilmenau liebt es, dass seine Gäste und Kollegen diesen besondere Esprit zu schätzen wissen. Dafür arbeitet er hart, auch mit dem Ziel, eines Tages Teilhaber der Espressobar zu werden.
Er wird vor allem von seinem Geschäftsführer für sein feinsinniges Gespür für seine Gäste geschätzt. Mit Reklamationen geht er behutsam und konstruktiv um – es sei denn, er empfindet sie als plump oder gar unverschämt. Es gelingt ihm aber meist, Beschwerden zur Zufriedenheit seiner Kunden zu lösen.
Sein hoher Anspruch an Ästhetik macht das Arbeiten mit ihm allerdings manchmal etwas schwierig, da darunter Effizienz und Schnelligkeit leiden können. In schwierigen Situationen verhält er sich launisch und neigt dazu, dramatisch zu werden. Dies macht den Umgang mit ihm auch in diesen Situationen schwierig.

Hintergrund: die vier Rollen eines Musters

Jedes Muster kann nicht nur in einem „Modus“ agieren, sondern in vier Modi. Dabei liegen jeweils zwei Modi – oder wie wir es nennen: Rollen – im Rollen-Trapez in der Balance-Zone und in der Gefahren-Zone.
Meist bewegen wir uns in der Rolle links oben im Trapez. In dieser Lieblings-Rolle sind wir zu Hause, in ihr agieren wir, ohne nachdenken zu müssen, sie zu nutzen fordert von uns kaum Energie – fast als würden wir uns mit einem Autopiloten bewegen. Das gibt uns Sicherheit, und das ist sehr bequem.
Doch wenn wir uns nur auf diese Rolle beschränken, berauben wir uns allzu vieler Möglichkeiten. Denn das jeweilige Pendant in der Balance-Zone, die Rolle rechts oben im Trapez, bietet uns viele neue Möglichkeiten, auf andere Menschen und Situationen anders als in der Lieblings-Rolle zuzugehen. Sobald wir in dieser zweiten Rolle der Balance-Zone agieren, haben wir unseren Einflussbereich erweitert – ohne dass wir dies bei anderen einfordern müssten und dass sich an den äußeren Umständen etwas ändern müsste.
Doch diese Rolle einzuüben und einzunehmen, fordert von uns allen erst einmal Energie so wie jede Verhaltensänderung. Und sie bringt zu Beginn sicher erst einmal den einen oder anderen Rückschlag mit sich und damit auch Unsicherheit. All das kostet Kraft, die erst einmal aufgebracht werden muss. Doch es zahlt sich aus, hier an sich zu arbeiten. Als Lohn winkt nichts weniger als ein großes Plus an persönlicher Freiheit, nämlich der Freiheit, über mehr Optionen im Verhalten gegenüber Menschen und Situationen zu verfügen.
Wer darauf verzichtet, dem droht früher oder später nicht nur die Beschränkung auf die gewohnte Lieblings-Rolle, sondern auch die Gefahr, in eine der Rollen der Gefahren-Zone zu geraten.
Ein Herabfallen in die Gefahren-Zone droht immer dann, wenn wir in der Krise sind, etwa durch völlig neue Herausforderungen, das Zusammentreffen mit Menschen und Situationen, die einem bislang nicht vertraut waren, durch Überlastung, zu viel Druck, Orientierungslosigkeit oder was auch immer. Dann glauben wir, unsere ansonsten wirksamen Vorgehens- und Verhaltensweisen, nicht zuletzt unsere Muster-Fallen (siehe Coaching-Tipps), müssten doch eigentlich auch jetzt funktionieren. Tun sie dann aber oft nicht.

Die Balance-Zone

Die Balance-Zone der Individualisten: nicht immer nur ichbezogen, sondern auch mal umweltbezogen sein

Gerd Ilmenau ist auf der Suche nach neuen Ideen für die Weinkarte – hier sollte erst gar keine Langeweile aufkommen, schließlich ist insbesondere die Vorstandsetage der NEMO AG sehr anspruchsvoll. Ilmenau steht am Tresen im Gespräch mit Christian Grosser, dem Muster IndividualitätWeinlieferanten des Cafés.
Grosser schätzt Ilmenaus Energie und Ideenreichtum und steuert gerne sein ausgewiesenes Fachwissen bei, zumal er weiß, dass Ilmenau darüber nachdenkt, ein Buch über die perfekte Bar zu schreiben. Und solange dieses Vorhaben nur ein Plan bleibt, macht Grosser die „Mitarbeit“ daran auch viel Spaß.
Zusammen mit Grosser kann Ilmenau in Plänen schwelgen, eine eigene Bar zu eröffnen, in die man abends einfach gehen muss, weil sie die erlesensten Weine und die besten Cocktails macht und dazu eine kleine, aber feine Speisekarte bietet. Hier kann sich Ilmenau als Ichbezogener ausleben, was bei ihm nicht heißt, dass von seinen Ideen nicht auch andere profitieren können. Das ist seine Lieblings-Rolle. Denn wie kein anderes Muster versteht es der Individualist, die Beweggründe und Stimmungen anderer aufzunehmen.
Anders ausgedrückt: Diese Rolle des Ichbezogenen, an eigenen Ideen und Interessen Orientierten, fällt Individualitäts-Typen in der Regel am leichtesten, weshalb sie sie auch meist einnehmen. Sie haben nun einmal viele ganz eigene Ideen, an deren Umsetzung nach ihren Vorstellungen sie fest glauben. Dadurch verlieren sie ihre zweite starke Seite leider allzu oft aus dem Blick: die Rolle des Umweltbezogenen, ihre Entwicklungs-Rolle. Muster Individualität
Diese Rolle kann er zum Beispiel mit einer seiner Stammkundinnen einnehmen und genießen: mit Sonja Ansbach. Sie liebt seinen Espresso: „Der beste in der Stadt!“ Und die beiden teilen ihren ausgeprägten Sinn für die Kaffeehauskultur Wiens. Ansbach kennt sich dort bestens aus und erzählt Ilmenau Anekdoten aus dem Bräunerhof und dem Griensteidl, weiß, wie man die diversen Wiener Kaffeespezialitäten wie Melange und Einspänner am besten zubereitet, und, und, und. Sie eröffnet Ilmenau eine neue Welt. Auf der anderen Seite hört sie dem Barchef gerne zu, wenn der ihr von seinen Plänen erzählt: seinem Buch, das er schreiben will, und seinem Traum, eine eigene Kaffeespezialität zu kreieren.
Aber in dieser Rolle des Umweltbezogenen erlebt man den Barchef viel zu selten, was eigentlich auch er selbst so empfindet. Meist bewegt er sich lieber auf vertrautem Terrain, also in der Rolle des Ichbezogenen.

Die Gefahren-Zone

Die Gefahren-Zone der Individualitäts-Typen: aus falsch verstandener Umweltbezogenheit normativ, aus übertriebener Ichbezogenheit narzisstisch werden

Ein Herabfallen in die Gefahren-Zone bekommt Anika Denglert zu spüren, Leiterin Werkskantine und damit Ilmenaus Kollegin. Eigentlich mag Ilmenau sie, wenn da nur nicht ihre Muster Individualität„Unprofessionalität“ wäre. Ilmenau kann einfach nicht verstehen, dass seine Kollegin sich nicht auf seine Vorschläge einlässt, etwa beim Nummerieren der Tische („Damit die Reihen draußen und drinnen ein einheitliches System haben, das sich jeder besser merken kann“), beim Eindecken der Tische für den Vorstand („Warum verwenden wir keine Stoffservietten?“) oder, oder, oder. Es fuchst Ilmenau ungemein, dass er hier keinen Einfluss hat. Deshalb triezt er seine Kollegin immer wieder, endlich zu lernen, wie man einen perfekten Cappuccino zubereitet – natürlich inklusive Latte-Art, also der kunstvollen Gestaltung des Milchschaums. Und hier lässt der Barchef nur eine Variante zu: ein von ihm kreiertes Blumenmuster. Ilmenau geht – leider – voll in der Rolle des Normativen auf.
Ilmenau ist in dieser Rolle alles andere als locker. Er macht sich Vorwürfe, zu kleinkariert gewesen zu sein, und verfällt dadurch in einem anderen Fall – statt sich zwischen Ichbezogenheit und Umweltbezogenheit zu bewegen – in das andere negative Extrem seines Rollen-Trapezes: in die Rolle des Narziss.Muster Individualität
In dieser Rolle hat er nicht nur eine ganz individuelle Sicht der Dinge, ist also ichbezogen, sondern erkennt seine Weltsicht als die einzig richtige an. Vor allem empfindet er darin, dass alle anderen nicht in der Lage sind, seine Ideen, seine Gefühle nachzuvollziehen und zu verstehen. Er sieht die Ideen anderer einfach als banal an. Das bekommt zum Beispiel die Kellnerin Sibel Ursu, eine Aushilfskraft, zu spüren. Ilmenau nimmt nicht wahr, dass sie ihn eigentlich anhimmelt, dass sie gerne von ihm lernen würde, Espresso zu machen, dass sie mit ihm gerne auch mal über Privates reden würde. Ihn interessiert einzig seine Theorie, wie man Gäste am besten bedient: „Es geht nicht darum, dass man ihnen bei der Wahl der Getränke hilft, sondern darum, wie man ihnen hilft.“
Gerd Ilmenau ist hier von der Rolle des Ichbezogenen in die Rolle des Narziss gefallen – nicht zuletzt weil er Sorge hatte, vielleicht zu umweltbezogen zu agieren. Als Narziss nimmt er die linke untere Ecke seines Rollen-Trapezes ein und damit die Rolle, in der er neben der des Ichbezogenen am meisten agiert. Doch für ein Leben in der eigenen Balance-Zone sollte Ilmenau dies vermeiden. Sonst verschwendet er viel Energie für ein Verhalten, das weder er noch jemand anderes mag und niemandem nutzt.

Stenogramm

Weltsicht: Etwas fehlt. Andere haben es.
Selbstbild: Ich bin jemand Besonderes und anders.
Balance-Zone: zwischen ichbezogen und umweltbezogen.
Gefahren-Zone: zwischen narzisstisch und normativ.
Stolperstein: Negative Vergleiche anstellen.
Grundbedürfnis: Sich zu finden und aus dem inneren Erleben eine Identität erzeugen, die Bedeutung hat.

Fokus: Umgang mit Veränderung

Ihr Change-Credo: Veränderungen sollten eine Chance in sich bergen, außergewöhnliche Dinge umzusetzen.

Vom Balance-Muster lernen

Individualisten in Balance lernen von den Anspruchsvollen, dass Prinzipien und Spielregeln sinnvoll sind und Stimmungen und Gefühle in eine hilfreiche Ordnung bringen. Ihnen gelingt es, sich diszipliniert einer Sache zu widmen und sich für Ideen und Konzepte wirkungsvoll einzusetzen. Sie lernen, dass es einen Unterschied zwischen ihren Gefühlen und ihren Werten gibt. Mit diesem Wissen können sie sich auch auf Kompromisse einlassen, ohne zu befürchten, dass es ihren Charakter gefährdet.

Zitate

Was sagen berühmte Persönlichkeiten zu den neun Mustern und deren Eigenarten?
Hier zehn Beispiele für das Muster Individualität:
Man versehe mich mit Luxus. Auf alles Notwendige kann ich verzichten.
Oscar Wilde

Alles beginnt mit der Sehnsucht.
Nelly Sachs

Ihr seid von hier, ich bin von dort.
Christian Morgenstern

Des Nachbarn Henne erscheint uns wie eine Gans.
Aus der Türkei

Ich kann von meinem Kummer sagen, was der Engländer von seinem Haus sagt: Mein Kummer is my castle.
Sören Kierkegaard

Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns blicken zu den Sternen empor.
Oscar Wilde

Nah ist nur Innres; alles andre fern.
Rainer Maria Rilke

Obwohl das Weltgesetz allen Lebewesen gemeinsam ist, verhalten sich die meisten so, als ob sie eine eigene Welteinsicht besäßen.
Heraklit

Das Größte an ihm ist, dass er so einfach ist.
Max Brod

Die beste Freude: das Wohnen in sich selbst.
Johann Wolfgang von Goethe

Prominente

Maria Callas scheute die Öffentlichkeit nicht, aber bei ihr musste immer alles ganz besonders sein und dramatisch – wie bei einer Individualistin nicht anders zu erwarten.
James Dean ist auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod Sinnbild für alle Individualisten, die nicht nur an der Welt, sondern auch an sich selbst leiden.
Weitere Beispiele sind: Jackie Onassis, Gustav Mahler, Prince, Bob Dylan oder Ingmar Bergman.

Beispiele aus TV & Film

Kennen Sie diese Leinwand-Individualisten?

  • Luke Skywalker in Star Wars, gespielt von Mark Hamill
  • Frodo Beutlin in „Der Herr der Ringe”, gespielt von Elijah Wood
  • Amelie Poulain in „Die fabelhafte Welt der Amelie”, gespielt von Audrey Tautou
  • John Dunbar in „Der mit dem Wolf tanzt”, gespielt von Kevin Costner
  • Phoebe Buffay in „Friends”, gespielt von Lisa Kudrow

 

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